Themenstrang: »Gesellschaft«
Referent_in: Jutta Meyer-Siebert
Tag/Zeit: Mittwoch, 14.9.2016, 13:30–15:30 Uhr
…als Projekt feministischer Kritischer Psychologie?
Die Kritische Psychologie, insbesondere Klaus Holzkamp, hat in der Nachfolge von Leontjew die Bedeutung der Werkzeugherstellung für die Menschwerdung herausgearbeitet, und wie im Tier-Mensch-Übergangsfeld der Sprung in die Fähigkeit gelang, die vorgefundenen Lebensbedingungen von Umwelt zu Welt umzubauen. Die Bedeutung der Herstellung von Mitteln zum Leben wurde, wie auch schon bei Marx, als so zentral angenommen, dass der zweite Strang, der für das Überleben und die Entwicklung der Menschheit – die Produktion des Lebens (Marx/Engels) – gleichrangig Bedeutung hat, aus dem (Analyse)Blick geriet.
Die Anthropologin Sara Bluffer Hrdy hat den Beginn der Menschheitsentwicklung mit feministischem Blick neu erzählt. Sie bringt – wie Frigga Haug nachzeichnet – den Nachweis, dass der Selektionsvorteil, dem die Menschen ihr Überleben und ihre Verbreitung über den Erdball verdanken, ihrer Fähigkeit zu Empathie geschuldet sei, die sie in kooperativen Formen der Aufzucht der Kinder und der Sorge füreinander als fundamentale Dimension des Sozialen erworben haben.
Hrdy leistet einen substantiellen Beitrag für die umfassende Erzählung der Geschichte der Menschen. Gleichwohl spart sie ihrerseits den Strang der Menschwerdung über die Werkzeugentwicklung völlig aus. In umgekehrter Weise wie die hegemoniale >Axtheorie< steht auch sie nur auf einem Bein.
Projekt wäre, die beiden Stränge in transformatorischer Absicht produktiv zusammen zu bringen. Wie könnte das gelingen? Frigga Haugs praktischer Vorschlag an dieser Stelle ist die Vier-in-einem-Perspektive – als Utopie einer Gesellschaft, in der es den Menschen – allen Geschlechtern – ermöglicht wäre, sich ihr menschliches Wesen umfassend anzueignen.