Themenstrang: »Gesellschaft«
Referent_in: Arnd Hofmeister
Tag/Zeit: Mittwoch, 14.9.2016, 13:30–15:30 Uhr
… im Spannungsfeld von Kontrollwissenschaft und Emanzipation
Im gesundheitswissenschaftlichen Diskurs der letzten 30 Jahre haben die Konzepte Prävention und Gesundheitsförderung zunehmend an Bedeutung gewonnen. Zentrales Argument dabei ist der Wandel des Krankheitsspektrums von Infektionskrankheiten zu chronisch-degenerativen Erkrankungen und Multimorbidität, der ein Umdenken im gesellschaftlichen und individuellen Umgang mit Krankheit und Gesundheit erfordert; weg von der Kuration hin zur Prävention. Gleichzeitig erfährt Gesundheit in dieser Zeit eine begriffliche Erweiterung von einem Zustand eines umfassenden bio-psycho-sozialen Wohlbefindens und der Abwesenheit von Krankheit hin zu einem handlungsbezogenen Konzept, das Gesundheit eng mit der Kontrolle über die Bedingungen der eigenen Gesundheit verknüpft; weg von einem negativen Risikofaktorenmodell hin zu salutogenetischen Konzept von Gesundheit durch Partizipation und Empowerment.
In diesem Vortrag möchte ich die Begriffe Gesundheitsförderung und Prävention vor dem Hintergrund des kritisch-psychologischen Begriffpaares Kontrollwissenschaft vs. Emanzipatorische Wissenschaft diskutieren. Dabei soll zunächst auf philosophisch-gesellschaftstheoretischer Ebene die Setzung von Gesundheit als Norm vs. das Verständnis von Gesundheit als gesellschaftliches Gut diskutiert werden. Das Recht auf Gesundheit als Unversehrtheit (Prävention) und Ermöglichungschance für ein gutes Leben (Gesundheitsförderung) steht dabei der Pflicht zur Gesundheit als Erhaltung des Werts der Ware Arbeitskraft aber auch der Steigerung der Leistungsfähigkeit gegenüber. Vor diesem Hintergrund sollen dann zunächst Prävention und Gesundheitsförderung in ihrem individualisierenden und letztlich moralisierenden kontrollwissenschaftlichen Verständnis expliziert werden, um in einem zweiten Schritt die Möglichkeiten von Prävention und Gesundheitsförderung als gesellschaftlich-emanzipatorischer Konzepte auszuloten. Erst vor diesem Hintergrund ist ein subjektwissenschaftliches Verständnis von Prävention und Gesundheitsförderung möglich.