Themenstrang: »Gesellschaft«
Referent_innen: Maria Hummel, Elène Misbach
Tag/Zeit: Mittwoch, 14.9.2016, 16:00–18:00 Uhr
Solidarische Unterstützungsarbeit ist der Kampf um gleiche soziale und politische Rechte für alle
»Ehrenamtliches« und »bürgerschaftliches« sowie »zivilgesellschaftliches« Engagement ist seit vielen Jahren und in den verschiedensten Diskursen in aller Munde. Angesichts der steigenden Zahlen geflüchteter Menschen europa- und weltweit und der »adhoc«-Eröffnung zahlreicher neuer Standorte zur Unterbringung der ankommenden asylsuchenden Menschen erfährt auch in Berlin die Würdigung unentgeltlicher, »freiwilliger« oder »ehrenamtlicher« Unterstützungstätigkeit im Themenfeld »Flucht, Asyl und Migration« eine neue Konjunktur.
Ein Verständnis von Unterstützung als wohltätige Hilfe verlangt, dass die Bedürftigkeit zumindest diskursiv immer wieder bewiesen werden muss und versetzt die (eigentlich) Anspruchsberechtigten in eine Position als Bittsteller*innen, die ihnen unter Umständen auch noch unterwürfige Dankbarkeit abverlangt. Die Macht der Helfenden wird dabei verschleiert. Die bewusste oder unbewusste Ignoranz gegenüber gesellschaftlich ausgrenzenden Bedingungen und die fehlende Analyse ihrer Ursachen erlaubt eine Erhöhung der Helfenden gegenüber den Hilfe-Bedürftigen. Dieser unkritische Ehrenamtsdiskurs ist gesellschaftlich dominant und weist Überschneidungen mit kolonial geprägten Traditionen auf: Die »ehrenamtlich« (»weißen«) Helfenden werden als aktiv handelnde Subjekte konstruiert und erfahren Anerkennung und »Ehre«, während ihre (»schwarzen«) Gegenüber als defizitär, arm, minderwertig, hilfs- und entwicklungsbedürftig sowie passiv konstruiert werden. In der zugeschriebenen Position als Opfer, Objekte oder Adressat*innen von Hilfsangeboten erfahren sie Mitleid statt Anerkennung.
Das grundsätzliche Problem dieser »humanitären« oder »humanitaristischen« Perspektive auf »Ehrenamt« besteht darin, dass es ein ahistorischer und entpolitisierender Blick ist, der gesellschaftliche Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnisse verschleiert. In dieser Logik bleibt der Fokus »Recht auf Rechte« ausgeklammert.