Themenstrang: »Praxis«
Referent_innen: Anne Roth, Karla Kernig
Tag/Zeit: Freitag, 16.9.2016, 13:30–15:30 Uhr
(Re-)Traumatisierung durch staatliche Begutachtungspraxis
Innerhalb des Staats- und Justizsystems werden für bestimmte Fälle psychologische Sachverständige zu Stellungnahmen aufgefordert, die einen maßgeblichen Einfluss auf das Urteil haben. Dabei geht es u.a. um die Einschätzung, inwieweit eine Person „glaubwürdig“ ist – sei es in Entschädigungsverfahren nach Gewalttaten, bei der Überprüfung der „Legitimität“ des asylrechtlichen Aufenthalts oder der Feststellung der „Arbeits(un)fähigkeit“. Die Gutachter_innen wenden dabei „objektive“, „wissenschaftliche“ Methoden an, um die „Lügner_innen“ von den „Wahrheitstreuen“ zu unterscheiden. Diese (Vor-)Verurteilungen werden stark durch populäre „false-memory“-Modelle und moralische Wertvorstellungen der Gutachter_innen beeinflusst, was für die begutachteten Personen massive negative Folgen haben kann – z.B. wenn es wie so oft heißt, Betroffene sexueller Gewalt hätten sich das Erlebte nur eingebildet. In dem Beitrag wollen wir versuchen, die vermeintliche Objektivität der psychologischen Gutachter_innen zu hinterfragen, die gängigen Praxen kritisch aufzeigen und mit euch über mögliche Widerstandsformen diskutieren. Die Veranstaltung kann ohne besondere Vorkenntnisse besucht werden.